Eine gelebte Geschichte des Blues

VON GÜNTHER BEYER UND HORST MÜLLER (FOTO), 05.07.02, 17:34h

Der Gitarrist und Sänger hat mit seiner Band „Soulful of Blues“ zwei Jahrzehnte lang die Szene geprägt.

Bonn – Wie lange ist das eigentlich her? Dass Hans-Georg vom Dienst in der britischen Botschaft nach Hause in die Konstantinstraße kam, recht schmallippig den Mitbewohnern „Tach“ sagte, sich dann in sein Zimmer verkroch. Aus dem gleich John Lee Hooker wummerte oder Muddy Waters. Sodann die Nerven zerfetzenden Begleitsoli aus Hansis E-Gitarre die Gläser in der Küche klirren ließen. Hans-Georg Rehse kann sich nicht recht entscheiden zwischen Widerwillen und wohlig-bitterer Erinnerung. Ja, war schon eine klasse Zeit mit Ralf Grottian, der die Mundharmonika beherrschte wie kein zweiter in Bonn, mit Reiner Hardt am Bass, mit Norfried Baum an der Gitarre, mit Bottleneck Richard Bargel, als die erste Platte herauskam von „Blues Express“. Und vor allem: Damals galt der Blues noch was. Der Chicago-Blues war Hans-Georg Rehses Ding.

Und dann ist er mit seiner Frau Carmen hinunter gereist zum Mississippi-Delta. Haben ein Schiff genommen hinauf nach Memphis, dem einstigen Auffangbecken der befreiten Neger-Sklaven, wo der Blues geboren wurde. Es aber bis Elvis Presley dauern sollte, dass der Blues und der Rock'n Roll die Welt erobern würde. Hans-Georg Rehse hat sich auf die Suche begeben nach dem Grab von Sunny Boy Williamsen, den schwarzen Mundharmonika-Spieler. Es war eine aufregende Odyssee durch die Ghettos, in denen zwei weiße Deutsche angeschaut wurden, als seien sie Aliens. Die aber mit erhabener Freundlichkeit von Familie zu Familie weitergereicht wurden, bis Hans-Georg Rehse endlich vor dem Grab stand nahe des Ortes mit Namen Tutweiler. Schon zuvor hatten Besucher dem toten Musiker, der eigentlich Rice Miller hieß, Ehre zuteil werden lassen. Davon zeugten Mundharmonikas, die auf dem überwucherten Grab niedergelegt waren.

Insgesamt drei Expeditionen in den Süden der USA haben Hans-Georg Rehse in der Einsicht bestärkt, dass dem Blues Express wohl ein entscheidender Waggon gefehlt hatte: Jener nämlich, der die Seele transportiert. So gibt es also heute die „Soulful of Blues“ um den Gitarristen und Sänger Hans-Georg Rehse mit Wolfgang Stürwold an den Keyboards, Ralf Haspel am Bass, Willi Güttler an den Drums und - das war die soulige Bereicherung - eine famose Bläser-Sektion mit Dave Doerr, Andy Krämer, Michael Zschische und Michael Schaake. „Soulful of Blues“ machten die opening acts für Luther Allison, Robert Cray, Dr. John und Eric Burdon, waren Begleitband für die Blues-Legende Willie Mabon - always keeping the Blues alive.

Kann man sich eine Riesenparty in einer Koranschule vorstellen? Vorher natürlich nicht. Das geht aber in Samarkand. Und wenn Hans-Georg Rehse über zwei Asien-Trips erzählt, welche die Bonner Band nach Kasach stan und Usbekistan führte, muss man ihn irgendwann stoppen in seinem Redefluss, sonst endet der Abend im Nirgendwo. Die Asien-Abenteuer von „Soulful of Blues“ in den Jahren 1997 und 98 hatten ihren eher unspektakulären Beginn in einem Auftritt für usbekische Diplomaten in der Ausbildungsstätte des Auswärtigen Amtes. Der Gig kam dermaßen gut an, dass wichtige deutsche Diplomaten und das Goethe-Institut sich entschlossen, die Band auf eine Tournee durch die Städte Taschkent, Buchara, Samarkand und Dschissach zu schicken. Das Ganze war - wie sich denken lässt - kein Sonntagsspazier gang für die Bonner Musikerfreunde. Dass zum Beispiel 200 Kilometer vor Buchara - nach Anreise mit klapprigen Flugzeugen - auch noch der Lkw mit dem Band-Equipment den Geist aufgab, die Tour nur durch eine komplizierte Austauschaktion knapp gerettet werden konnte, war noch fast eine geringere Malaise. Aber die Mühsal fand Entschädigung in der fulminanten Aufnahme der Band durch die vom Islam geprägte Bevölkerung und in der nie erwarteten Toleranz. Die ging gar so weit, den Blues-Menschen aus Deutschland einen Auftritt in der berühmten Schir-Dor-Medrese aus dem 14. Jahrhundert zu gestatten. Und eine Medres ist nichts anderes, als eine Koranschule. Tournee-Highlight war hingegen der Auftritt der Band im Tennisstadion von Dschissach vor 1500 Menschen. Danach erhob der „Hokim“, der einem deutschen Landrat vergleichbar ist, spontan die Stimme und machte seiner Begeisterung Luft. Dann erhielt jedes Bandmitglied einen Chaipan, die traditionelle Landestracht samt Dolch als Geschenk. Noch auf der Bühne wurde der neue Dress übergestreift und hiermit die Zugabe bestritten. Die Jubelstürme - und da überkommt Hans-Georg Rehse noch heute eine Gänsehaut - kannten keine Grenzen. Und der Blues-Mann erklärt diese Auftritte in den Steppen Asiens insgesamt als die größten Ereignisse in seinem Leben, das nun auch schon 55 Jahre währt. Wer den Blues spielt, kann hierzulande von ihm nicht leben. Hans-Georg Rehse war für die britischen Diplomaten der Betreuer in allen Lebenslagen. Nun arbeitet er in gleicher Funktion für die verbliebenen Offiziere der Amerikaner, die Verbindung halten zur Hardthöhe. Aber bald wird sich Hans-Georg Rehse wieder auf den Weg machen, der ihn führen wird „From Clarksdale to Chicago“.

 

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